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Warum ein Bitcoin-System ohne zentrale Kontrolle gefährlich ist

Worin liegt der Reiz der Kryptowährungen? Das spannendste an Kryptowährungen ist nach Ansicht vieler Krypto-Investoren ihre Dezentralität: das komplette Fehlen einer zentralen Stelle die über das Schicksal der Währung, über ihren Erfolg oder nicht Erfolg, über Abwertung oder Aufwertung entscheidet. Das ist ist gleichzeitig ein grundlegender Unterschied zu klassischen Geldsystemen in denen die Notenbanken u.a. über Zinssätze und Geldmenge Einfluss auf den Wert der Währung nehmen. Die Rolle des zentralen Entscheiders wird – zumindest beim Bitcoin – auf alle Beteiligten des Ökosystems übertragen.

Die Kernfrage – deren Antwort oft implizit vorweg genommen wird – ist daher: Sind dezentrale Systeme generell zentralen Systemen überlegen? Hier schließt sich schnell der Bogen zur Politik, in der die zentralistischen, sozialistischen Ländern als gescheitertes Beispiel auf der Hand liegen, während die (dezentralen) westlichen Demokratien als überlegenes System gelten. Aber ganz so einfach ist die Abgrenzung nicht. Denn sämtliche westlichen Demokratien sind letztlich Mischformen aus zentralen und dezentralen Elementen, auch wenn sie weniger zentral sind als die typischen Zentralwirtschaften sozialistischer Prägung. Selbst eine überdurchschnittlich dezentrale Demokratie wie die Schweiz mit ihren zahlreichen Volksabstimmungen weist zahlreiche zentrale politische Instanzen auf, von der Regierung, über den öffentlichen Rundfunk bis hin zur Zentralbank SNB. Insofern kennen wir im politischen Leben kein rein dezentrales System.

In der Wirtschaft ist die Marktwirtschaft als dezentrales Wirtschaftssystem die Erfolgsgeschichte schlechthin. Alle Marktteilnehmer treffen als Anbieter und Nachfrager ihre Entscheidungen dezentral und unabhängig. Eine zentrale Planungsstelle gibt es nicht, die kommunistischen Staaten sind historisch gescheitert, und das zu einem guten Teil aufgrund ihrer zentralistischen, planwirtschaftlichen Wirtschaftssysteme.

Ist Dezentralität also der langersehnte, zwangsläufige Heilsbringer? Mit Sicherheit nicht, denn auch unsere marktwirtschaftlichen Systeme weisen zahlreiche zentrale Institutionen auf. Selbst in den USA gibt es mit der Wettbewerbsaufsicht (FTC), der berühmt-berüchtigten SEC als Börsenaufsicht oder der Notenbank Fed mächtige zentrale Institutionen, die das Wirtschaftsleben lenken. Hinzu kommen staatliche Umverteilungsmaßnahmen, die in den USA sicher weitaus weniger dominieren als in Deutschland aber auch dort vorhanden sind. Angefangen von der Krankenversicherung Obamacare (die auch ein Donald Trump bisher nicht abschaffen konnte) bis hin zu Essensmarken für Arme.

Das zeigt, selbst im – aus deutscher Sicht hyperkapitalistischen – Amerika gibt es eine Balance aus zentralen und dezentralen Institutionen, die sich in dieser höchst erfolgreichen Wirtschaftsmacht nun schon über Jahrhunderte als Erfolgsrezept beweist.

Was bedeutet das nun für die vollständig dezentrale Kryptowelt?
Zumindest sollten wir die definitorische Überlegenheit reiner dezentraler Systeme in Zweifel ziehen. Historisch gibt es kein Beispiel für die Überlegenheit purer Dezentralität. Im Gegenteil: Weder Anarchie als vollkommen dezentrales politisches System noch ein vollkommenen entfesselter Kapitalismus ohne Aufsicht und Rahmen haben sich historisch durchgesetzt. Sollte das Krypto-Geldsystem die große historische Ausnahme sein?